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(Un)verschämt und (un)verblümt – Scham in interkulturellen Mediationen
Fachartikel aus 'Die Mediation' von Sosan Azad
"Güler yüzlü sirke saticisi, ekşi yüzlü bal saticisindan fazla kazanir. – Ein lachender Essigverkäufer macht bessere Geschäfte als ein Honigverkäufer mit saurer Miene." Türkisches Sprichwort
Ömer und Laura (die Namen und Identitäten der Medianden wurden anonymisiert) gaben uns als Honorar für die Mediation ein Buch mit türkischen Sprichwörtern und eine Schachtel mit Lokum, einer türkischen Süßigkeit. Das deutsch-türkische Ehepaar hatte nur wenig Geld zur Verfügung. Hier zeigte sich das hema Scham bereits das erste Mal. Für Laura und Ömer war es peinlich auszusprechen, dass sie die Mediation nicht bezahlen konnten. Die Angst, dass ihre Familie auseinanderbricht, war jedoch groß genug, um trotzdem den Schritt in die Mediation zu wagen.
Bereits in der Phase der Auftragsklärung formulierten wir daher für uns folgende Hypothese: Die Art und Weise, wie beide Medianden über ihre inanzielle Situation sprechen, spiegelt möglicherweise, dass Scham auf vielfältigen Ebenen eine Rolle im Konlikt spielt. Wir vermuteten, dass die Faktoren, die
Scham auslösen, bedingt durch Kultur und Migration sehr unterschiedlich sind und dass beide Partner diesbezüglich bislang wenig übereinander wissen. Auf dieser Grundlage haben wir die Verhandlung über die Bezahlung kultursensibel gestaltet und hierbei die Interkulturalität im Co-Team genutzt.
Sosan hat gesichtswahrend insbesondere zu Ömer Vertrauen aufgebaut, indem sie die Situation normalisierte und humorvoll sagte: „Sie wissen ja auch, dass in einigen Kulturen, unter anderem auch in meiner und Ihrer, gerade in Konliktvermittlungen kein Geld an die Mediatoren gezahlt wird. Vielmehr ist es eine besondere Ehre, dass die Vermittler die Menschen begleiten dürfen.“ Sosan erzählte in diesem Zusammenhang von der Mediationstätigkeit ihres Vaters in Afghanistan. Er war oft als Vermittler gefragt worden. Es wäre für ihn undenkbar gewesen, dass er ein Honorar verlangt oder die Medianden ihm ein solches angeboten hätten.
Doris fokussierte insbesondere auf den Aspekt des Gebens ohne Geld, als sie sagte: „Wir haben einen besonderen Mediationsansatz für interkulturelle Konlikte entwickelt. Uns ist es wichtig, dass wir hier immer wieder genau hinschauen, um zu wissen, ob wir damit immer noch zufrieden sind. Passt das, wie wir arbeiten? Was können wir noch anders oder besser machen? Sie helfen uns dabei, wenn Sie uns ‚bezahlen‘, indem wir Sie am Ende der Mediation ausführlicher fragen dürfen, wie Sie die Mediation erlebt haben. Sie wissen, Feedback gehört zur Qualitätssicherung und zur Weiterentwicklung. Sie geben uns damit mehr, als jedes Honorar wert sein könnte.“
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