| Familie & Soziales, Institut
Trennung und Scheidung - Kinder in der Mediation
Die gesetzlichen Bestimmungen stellen das Kind bei Scheidungskonflikten in den Mittelpunkt. Es wird als eigenständiges Subjekt mit Rechten ausgestattet, soll im Rahmen rechtlicher Streitigkeiten einbezogen werden und zu Wort kommen. Oft gestaltet sich dies schwierig. Abhilfe schaffen Beratungskonzepte für Trennung und Scheidung mit einer systemischen Sichtweise. Sie integrieren Kinder als wichtigen Teil der Familie in den Konfliktlösungsprozess im Falle einer Trennung oder Scheidung.
Text von Heiner Krabbe
Das Kind ist ein wesentlicher Teil des Familiensystems. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass eine große Zahl von Mediatoren davon abrät, Kinder an der Mediation teilhaben zu lassen. Gleiche Ansichten sind auch in der Mediationsliteratur zu lesen. Als Begründung wird aufgeführt, dass Kinder nicht in Loyalitätskonflikte mit ihren Eltern hineingezogen werden sollen und vor der Gefahr einer Entscheidung, die sie selbst (anstelle ihrer Eltern) treffen müssen, geschützt werden sollen; Kinder seien zudem emotional und intellektuell nicht in der Lage, ihre eigene Ansicht zu vertreten. Diese Argumente sind durchaus berechtigt. Dennoch ist es fraglich, ob Kinder ganz aus dem Mediationsprozess herausgehalten werden müssen.
Konzept für die Beteiligung von Kindern
Das nachfolgend vorgestellte Konzept der Beteiligung von Kindern am Mediationsgeschehen versucht, den genannten Bedenken gerecht zu werden und gleichzeitig Kindern die Gelegenheit zu geben, in der Mediation zu Wort zu kommen (Diez et al. 2009).
Der Ablauf einer Mediation mit Kindern
Auf diesen Grundlagen geschieht die Einbeziehung der Kinder auf den verschiedenen Mediationsstufen folgendermaßen:
Auf der Stufe der „Einführung in die Mediation“ und des Kontrakts nehmen Kinder nicht am Verfahren teil; auf dieser Stufe geht es um Verpflichtungen der Erwachsenen (Vertraulichkeit, Honorar, Kontrakt). Auf der Stufe der „Themensammlung“ ist die Integration von Kindern sinnvoll, da für diese oft andere Themen wichtig sind als für ihre Eltern. Auch bemühte Eltern können nur zum Teil erahnen, was für ihre Kinder zu regeln ist. Kinder äußern auf dieser Stufe zudem oft, dass ihre Eltern zusammenbleiben und nicht mehr streiten sollen und dass sie den weiteren Kontakt zu Oma und Opa wünschen. Auch wenn beide Eltern entschieden sind, sich als Paar zu trennen, können sie sich auf Grundlage der Themensammlung ihrer Kinder einer gemeinsam getragenen elterlichen Lösung nicht entziehen.
Auf der Stufe der „Interessenindung“ sind kleinere Kinder aufgrund ihrer psychischen Entwicklung oft noch nicht in der Lage, ihre Interessen zu erforschen. Erst im Alter von 12 bis 13 Jahren sind Heranwachsende kognitiv so gereift, dass Sie ihre Interessen von der Metaebene aus relektieren können. Diese Stufe kann demzufolge mit Jugendlichen durchgeführt werden. Auf der Stufe der „Optionen“ ist die Mitwirkung des Nachwuchses sinnvoll und sorgt für eine lebendige Diskussion. Kinder sind sehr optional und damit offen dafür, für ihre Familie Lösungen und Ideen zu entwickeln. Bisweilen nehmen sie mit ihren Ideen intuitiv unbewusste, verschüttete Ideen der Erwachsenen wahr und äußern sie dann auf dieser Stufe.
Auf der Stufe der „Verhandlungen“ sind die Eltern gefordert, gemeinsam vorläufige Entscheidungen zu trefen; die Kinder werden hierbei nicht in die Mediation einbezogen.
Auf der Stufe der „Vereinbarungen“ legen die Eltern verbindlich fest, welche Regelungen gelten sollen. Auch hier können nur die Eltern Verpflichtungen eingehen. Es ist jedoch sinnvoll, die Vereinbarung der Eltern zu den Themen ihrer Kinder (Elternvereinbarung) von diesen ebenfalls unterschreiben zu
lassen. Der Akt des Unterschreibens hat für Kinder eine hohe symbolische Bedeutung. Nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder fühlen sich mit ihrer Unterschrift dazu verplichtet, die getrofenen Regelungen künftig einzuhalten.
Zum Abschluss kann der Mediator an alle Familienmitglieder die Frage nach einem Abschlussritual stellen. Kinder wünschen sich oft ein letztes gemeinsames Essen mit ihren Eltern.
Vorbereitungsmaßnahmen
Um die Einbeziehung der Kinder überhaupt ermöglichen zu können, muss der Mediator vor der Einladung der Kinder ein Vorgespräch mit den Eltern führen. Dabei erklärt der Mediator den Ablauf der Arbeit mit den Kindern, die Sitzordnung sowie die Gesprächs- und Verhaltensregeln für alle Beteiligten. Er lässt sich von den Eltern erläutern, welche individuellen Besonderheiten er bei jedem Kind beachten muss und wie er den Kontakt zu ihnen positiv gestalten kann. Erst
am Ende des Vorbereitungsgesprächs treffen die Eltern gemeinsam mit dem Mediator die Entscheidung, ob die Kinder tatsächlich in die Mediation integriert werden. Bisweilen wird auch geregelt, mit welchen Sätzen die Kinder zur Teilnahme am Verfahren eingeladen werden.
Die indirekte Einbeziehung der Kinder
Wenn sich die Eltern gegen die Einladung ihrer Kinder entscheiden, sollte der Mediator dies im Sinne der Autonomie der Mediationsparteien respektieren. Dem Mediator bleibt dann immer noch die Möglichkeit einer indirekten Einbeziehung der Kinder, indem er die Eltern zirkulär befragt, welche Themen die Kinder nennen würden, wenn sie jetzt in der Mediation wären.
In der Praxis zeigt sich immer wieder, wie bedeutungsvoll es für Kinder ist, wenn sie ihren Eltern sagen dürfen, welche Themen diese für sie überdenken und klären sollen. Kinder haben dabei ganz andere Fragen im Blick als ihre Eltern. Für Kinder geht es darum, ob und wann sie mit ihren Eltern zusammen sind, dass
sie ihre Schule, ihre Freunde, ihre Verwandten nicht verlieren, dass alle zusammen feiern oder in den Urlaub fahren, dass sie vom Sport abgeholt werden, dass sie wissen, von wem sie zukünftig ihr Taschengeld bekommen (Krabbe 2005). Die Eltern ihrerseits haben ihre Kinder nach der Sammlung der Themen und Optionen wieder stärker im Blick, sehen aber auch die Fülle der Anliegen, die sie für ihre Kinder klären müssen.
Es beginnt nun der Alltag der Scheidungsfamilie.
Literatur
Diez, Hannelore et al. (2009): Familien-Mediation und Kinder. Köln: Bundesanzeiger.
Krabbe, Heiner (2005): Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Familienmediationen. Zeitschrift für Konliktmanagement (ZKM) 1, S. 14–18.
Der Artikel erschien in Die Mediation Ausgabe 4 im Jahr 2025 "Familie heute".
Mediation in Familienkonflikten bringt besondere Herausforderungen mit sich. Erfahren Sie, wie Sie diese meistern können in unserer Ausbildung "Mediation in Familie und sozialen Handlungsfeldern".
Kommentare
Einen Kommentar schreiben