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Supervision und Mediation – Gemeinsamkeiten, Verbindungen, Unterschiede

Ein Artikel von Harald Pühl zum Thema Supervision und Mediation

Supervision und Mediation sind zwei Beratungsverfahren, die stark nachgefragt werden. Auftraggeber sind oft unsicher, welches Verfahren für ihr Anliegen das angemessene ist. Gleichzeitig kann ich beobachten, dass es auch seitens von Mediatoren und Supervisoren zu Grenzüberschreitungen kommt, wenn Mediatoren beispielsweise Teamsupervision anbieten, ohne darin ausgebildet zu sein, oder Supervisoren Mediation ohne entsprechende Ausbildung. Hier versucht der Artikel zur Klärung beizutragen.

 

Supervision: Der Unterschied macht’s – in Ausbildung oder im Beruf

Die Heimat der Supervision ist der Sozialbereich, hier können wir auf eine fast 100-jährige Geschichte zurückblicken. Vor 30 Jahren gründete sich die Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching (DGSv). Sie definiert Supervision folgendermaßen:

„Supervision ist eine Beratungsmethode, die zur Sicherung und Verbesserung der Qualität beruflicher Arbeit eingesetzt wird. Supervision bezieht sich dabei auf psychische, soziale und institutionelle Faktoren. [...] Supervision unterstützt die Entwicklung von Konzepten bei der Begleitung von Strukturveränderungen die Entwicklung der Berufsrolle“.

Teamsupervision gehört nach meinen Erfahrungen zu den am meisten nachgefragten Settings. Ich unterscheide zwei Perspektiven der Teamsupervision:

  1. Fallsupervision: Der Akzent der Beratung liegt auf der Klärung der Beziehung(en) zwischen Helfer(n) und Klient(en). In der Regel nimmt der Teamvorgesetzte an dieser Form von Teamsupervision nicht teil, um die nötige Offenheit und Fehlerfreundlichkeit sicherzustellen.

Aufgrund der gestiegenen Qualitätsanforderungen stoßen wir öfter auf verordnete Teamsupervision: Die Teilnahme ist verpflichtend, den Supervisor kann sich das Team in Abstimmung mit der Führung selbst aussuchen oder die Organisation sucht den Berater aus.

  1. Teamentwicklung: Im Zentrum der Beratung stehen hier die Kooperationsbeziehungen innerhalb des Teams, zum Teamvorgesetzten und zur Gesamtorganisation mit all ihren Schnittstellen. Da hier immer strukturelle und auch konzeptionelle Belange thematisiert und angepasst werden, ist der Teamvorgesetzte ein Teil des Subsystems Team und damit Mitglied dieser Beratung.

Da Supervision ihre Kunden schon lange nicht mehr ausschließlich im Non-Profit-Bereich findet, sondern auch in Wirtschaft, Verwaltung, Handwerk und bei Selbstständigen, hat sich in diesen Feldern inzwischen der Begriff Team-Coaching durchgesetzt (vgl. Obermeyer /Pühl 2015).

Diese Form berufsbezogener Supervision hat ihre Wurzeln in der sogenannten Balintarbeit, benannt nach ihrem Begründer Michael Balint, einem ungarischen Arzt und Psychoanalytiker. Er versammelte Hausärzte um sich, um mit ihnen im geschützten Rahmen über ihre Patienten zu sprechen. Später arbeitete er auch mit Eheberatern und ausgebildeten Sozialarbeitern. Kennzeichen dieser Arbeit war, dass die Teilnehmer ausgebildet waren und im Beruf standen, Ziel war nicht Ausbildung, sondern die Verbesserung der Arbeit durch die Reflexion in einer Gruppe.

Dreieckskontrakt

Konkreten Ausdruck findet dies im sogenannten Dreieckskontrakt. Darunter verstehen wir Folgendes: Arbeitet der Supervisor beispielsweise mit einem Team, klärt er den Auftrag nicht nur mit dem Team, sondern ebenfalls mit dem Teamverantwortlichen bzw. der Geschäftsführung (Leitung), ferner vereinbart er feste Auswertungsgespräche zwischen den direkt und indirekt Beteiligten (s. Abb. 1)

Die organisationelle Triangulierung ist eine besondere. Ein organisationelles Dreieck zeichnet sich beispielsweise in der Team-Supervision durch die Beziehung des Beraters zum Team und zur Leitung aus. Die Betonung liegt auf dem und, denn viele Berater verlieren beispielsweise bei der Team-Supervision die Leitung der Organisation aus dem Blick. Dadurch reduzieren sie die Organisationsmatrix zu einer Gruppenmatrix. Die Team-Supervision ist aber immer eine gesamtorganisationelle Veranstaltung. Sie findet in der Regel während der Arbeitszeit statt, wird vom Arbeitgeber finanziert und kann als solche nur erfolgen, wenn die Leitung der Organisation dem zustimmt.

Team-Supervision verbindet Reflexionskompetenz und Organisations- bzw. Managementkenntnisse in einmaliger Weise und definiert sich unter anderem dadurch als eigenständiges neues Beratungskonzept.

Hier lässt sich eine Brücke zur Mediation in Organisationen (Pühl 2018) schlagen. Das Dreieck sieht dann wie folgt aus:

Auch hier geht es wie in der Team-Supervision darum, das Dreieck zu halten bzw. zu konstituieren. Der Einbezug des Auftraggebers ist für viele Mediatoren noch eine besondere Herausforderung, besonders für Kollegen, die über wenig Erfahrung mit Organisationskontexten verfügen. Wir klären zu Beginn den Auftrag mit dem Auftraggeber und versuchen dabei auch einzuschätzen, ob Mediation überhaupt das Mittel der Wahl ist („Beratung über die Beratungsanfrage“). Ebenso schließen wir die Mediation mit einem Feedback an den Auftraggeber ab. Dabei geht es nicht um persönliche Dinge der Medianden, sondern um strukturelle Dinge. Wie in der Team-Supervision lautet die Formel: „Verschwiegenheit des Beraters im Persönlichen – Offenheit im Strukturellen“. Der Grundgedanke dabei ist, dass Konflikte in Organisationen immer strukturell beeinflusst sind. Die Rückmeldung an den Auftraggeber versetzt ihn in die Lage, seine Führungsverantwortung wahrzunehmen und eventuelle Veränderungen zu initiieren. Diese Feedbackschleife findet bei Auftraggebern nicht immer sofort Anklang schließlich gibt es in Organisationen die Tendenz, Konflikte zu isolieren und zu personalisieren.

Zwei Supervisionsintentionen müssen unterschieden werden: Berufsbezogene (Team-)Supervision und Ausbildungssupervision

Ausbildungssupervision – endlich auch in der Mediationsausbildung angekommen

Die zweite Form der Supervision nenne ich Ausbildungssupervision. Sie hat ihren geschichtlichen Ursprung in der Professionalisierung der Sozialarbeit. Die Aufgabe war – und ist bis heute –, dass ein erfahrener Kollege einen jungen Kollegen in die Methode einführt. Dieses Meister-Schüler-Verhältnis hat sich inzwischen in allen Ausbildungen als bewährt durchgesetzt und gehört mittlerweile auch in der Mediationsausbildung zu den Standards.

Während der Ausbildung zum Mediator oder spätestens ein Jahr nach erfolgreichem Abschluss „müssen die Ausbildungsteilnehmenden an einer Einzelsupervision im Anschluss an eine als Mediator oder Co-Mediator durchgeführte Mediation teilgenommen haben“ (§ 2 Abs. 5 ZMediatAusbV). Damit hat die Ausbildungssupervision einen festen Platz auch in der Ausbildung von Mediatoren gefunden.

Die Unterscheidung in diese beiden Supervisionsintentionen hat ganz praktische Auswirkungen, wie sich bei den Standards des Bundesverbandes Mediation e. V. zeigt. Hier hat sich nämlich genau an dieser Stelle ein Missverständnis von Supervision eingeschlichen. Im Bemühen, mit anderen Beratungsverfahren zu kooperieren, haben sie in ihren Ausbildungsstandards Supervision verankert. Sicherlich eine richtige Entscheidung, um das Erlernen der Methode durch einen Fachmann zu begleiten. Als Supervisoren wurden aber nicht gestandene alte Mediationsmeister ausgesucht, sondern Supervisoren, die einige Fortbildungsmodule in Mediation absolviert haben. Umgekehrt wäre ein Schuh draus geworden: Erfahrene Mediatoren, die sich in Supervision fortgebildet haben.

Im Zuge des sogenannten Therapiebooms in den 1970er-Jahren kam es immer wieder zu Sprachverwirrungen aufgrund dieser zwei Supervisionstraditionen. Zu dieser Zeit gab es die ersten ausgebildeten Supervisoren mit dem Fokus „Der Mitarbeiter und sein Team im Kontext der Organisation“, und es gab die Therapeuten, die in ihren Ausbildungen zum Erlernen der Methode auch Supervision erhalten hatten. Vielfach verführte sie dies dazu, Supervision selbst für berufliche Arbeit anzubieten. Häufig mit dem dramatischen Resultat, dass die angesprochenen Konflikte einseitig durch die Beziehungsbrille gesehen wurden. Das war insofern verständlich, da Therapeuten Spezialisten für Beziehungsdynamiken und in der Regel in der Einzelarbeit ausgebildet sind. Der nötige Blick für Kontextdynamiken fehlte ihnen daher fast zwangsläufig, was zu Frustrationen bei den Mitarbeitern führte und insgesamt zu starken Vorbehalten gegen Supervision („Da muss man die Hose runterlassen“).

Erst durch die gelungene Professionalisierung von Supervisoren, das heißt durch Ausbildung und die Gründung eines Berufsverbandes, war eine Hinwendung zum kontextuellen Grundverständnis möglich.

Selbsttäuschungen von Mediatoren und Supervisoren

Ich beobachte immer wieder, dass ausschließlich in Mediation ausgebildete Kollegen munter auch Team-Supervision anbieten. Vermutlich im guten Glauben, dass sie eine kompetente Ausbildung genossen haben, die immer im Gruppensetting (zumindest im Kleingruppensetting mit zwei Medianden) stattfindet. Aus dieser vermeintlichen Kompetenz eine Brücke zur Team-Supervision zu schlagen, halte ich für einen professionellen Fehler: weil es in diesem Verfahren nicht unbedingt um Konfliktbearbeitung geht, sondern um die umfassende „Sicherung und Verbesserung der Qualität beruflicher Arbeit“ (s. o.).

Team-Supervisoren stehen vor einem ähnlichen Dilemma: Sie müssen in der praktischen Arbeit allzu oft feststellen, dass ihr Methodenrepertoire sich als stumpf erweist, wenn es um die Klärung von Konflikten im Team geht. Hier wäre die mediatorische Kompetenz ein großer Gewinn zur Konfliktbearbeitung. (Deshalb bilde ich seit Jahren Supervisoren in dieser Richtung aus)

Intervision als Selbstsupervision

Schließlich sollten sowohl Supervisoren als auch Mediatoren im Verbund arbeiten. Eine bewährte Form hierfür ist die Intervisionsgruppe. Dabei treffen sich Kollegen – gerne auch fachübergreifend –, um über ihre Fälle zu beraten, sich zu entlasten und neue Perspektiven für ihre konkrete Beratungsarbeit zu generieren. Ohne ein solch sicherndes Netzwerk kann man sich  – als Supervisor wie als Mediator – allzu leicht in der Dynamik des Klientensystems verfangen. Das Kollegennetz hilft, die Grenze zwischen Berater und Ratsuchenden wieder neu zu ziehen und dadurch die nötige professionelle Nähe und Distanz oszillierend zu ermöglichen.

Dr. Harald Pühl - Supervisor, Coach und Mediator, Leiter von TRIANGEL-Institut für Supervision, Coaching, Mediation und Organisationsberatung, Berlin

Literatur

Obermeyer, Klaus /Pühl, Harald (2015): Teamcoaching und Teamsupervision. Praxis der Teamentwicklung in Organisationen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Pühl, Harald (2018): OrganisationsMediation. Grundlagen und Anwendungen gelungenen Konfliktmanagements. Gießen: Psychosozial-Verlag.

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