| Wirtschaft

Supervision im Unternehmen

Viele Ressourcen liegen noch brach

Den Begriff Supervision haben viele schon gehört. Was damit gemeint ist, wissen eher wenige. Wer jedoch schon einmal an diesem Beratungsformat teilgenommen hat, wird es nicht mehr missen wollen. Denn es bietet die Möglichkeit, im Austausch mit anderen eigenes Handeln in einem konkreten Kontext zu reflektieren. So können Ursachen für Konflikte identifiziert und Inspirationen für künftiges Vorgehen in dem betreffenden oder einem ähnlich gelagerten Kontext gewonnen werden.

Text: Sosan Azad und Christine Susanne Rabe

Aus: Die Mediation - Ausgabe "Freiheit"

Beratungsformate haben sich in Unternehmen in vielfältiger Weise etabliert. Noch recht neu ist insbesondere in Wirtschaftsunternehmen der Einsatz von Supervision. Hintergrund dafür mag sein, dass Supervision dem Ursprung nach ein Beratungsformat aus dem Bereich der sozialen Arbeit ist, das in den USA entwickelt wurde und von dort aus seinen Weg nach Europa und Deutschland gefunden hat (vgl. dazu den Überblick bei Rabe / Wode 2020: 250 f.). Ausgehend von diesen Ursprüngen zeigt die Praxis den Mehrwert von Supervision auch in vielen anderen Bereichen. Sie dient einzelnen Personen ebenso wie Gruppen und Teams sowie bei übergreifenden Themenwie Change Prozessen, Krisen oder auch im Konflikt- und Gesundheitsmanagement als Möglichkeit der Reflexion. So soll das Blickfeld für das eigene Denken erweitert und die Entwicklung des persönlichen, beruflichen oder sonstigen professionellen Handelns durch Supervision begleitet werden.

Ziele und Einsatzmöglichkeiten für Supervision im Unternehmen

Aus diesem zunächst sehr allgemein formulierten Ansatz von Supervision lassen sich konkrete Ziele für den Einsatz im Unternehmen entwickeln. Supervision bietet einen geschützten Raum, in dem sich der Fokus weg von der eigenen Person hin auf die zu erfüllenden Aufgaben, die eigene(n) Rolle(n), Aufträge sowie die interne Unternehmenskommunikation, -strukturen und -kultur bewegt. Rappe-Giesecke bringt es wunderbar auf den Punkt: „Die Stärke der Supervision liegt darin, dass sie die latenten Steuerungsprogramme der Person, der Profession, der Klientel und der Organisation erforscht und den Professionals zur Verfügung stellt. Wenn ich weiß, was mein Handeln leitet, habe ich die Chance, die Angemessenheit dieses Programms für diese jeweilige Situation zu überprüfen und Alternativen zu suchen. Supervision hilft, adäquate Selbstbeschreibungen zu finden und trägt so in hohem Maße zur Entwicklung der professionellen Identität bei.“ (Rappe-Giesecke 2009: 3 und 5)

Darüber hinaus kann Supervision auch ein Instrument der Teamentwicklung sein, dass die Teammitglieder dabei unterstützt, durch gemeinsame Reflexion eine gemeinsame Identität als Team zu entwickeln, um die übertragenen Aufgaben bestmöglich bewältigen zu können. Gleichzeitig kann sie ein Instrument der Konfliktprävention sein, das die Teams befähigt, Konfliktpotenziale frühzeitig zu erkennen und gemeinsame Lösungsstrategien zu entwickeln. Stärken die Teammitglieder in der Supervision zudem ihre Kompetenz, sich gegenüber Kolleginnen und Kollegen ebenso wie gegenüber Vorgesetzten oder Dritten abzugrenzen, erweist sich Supervision zudem als Element des betrieblichen Gesundheitsmanagements, indem sie die Resilienz der Teilnehmer stärkt und einen Stressabbau fördert.

Supervision für Personen in Leitungs- und Führungspositionen

Führungskräfte finden sich oftmals in einer sogenannten Sandwichposition wieder. Einerseits erhalten sie Vorgaben aus der Unternehmensleitung, die zwingend einzuhalten sind, oder haben Erwartungen von Kunden, Kooperationspartnern oder sonstigen Stakeholdern zu erfüllen. Andererseits sehen sie sich mit Forderungen und Erwartungen von nachgeordneten Mitarbeitern konfrontiert. Darüber hinaus sind sie für den Erhalt einer konstruktiven Kommunikation und Arbeitskultur, aber auch für die Kontrolle und Einhaltung der Prozesse und Strukturen verantwortlich. Zudem verfügen sie über eigene Interessen und Werte, die im Hintergrund eine Herausforderung für das eigene Handeln darstellen können. Als „Leader“ sollen sie schließlich auch ein Vorbild für die Mitarbeiter sein und zugleich „unterstützender Coach“ und Motivator.

Diese verschiedenen Rollen und damit verbundenen Ansprüche können erheblichen Druck ausüben, insbesondere dann, wenn sie zum Teil dem eigenen Naturell widersprechen. Supervision hilft Führungskräften dabei, diese Situation zu reflektieren und für sich zu prüfen, welche – auch emotionalen – Auswirkungen die vielfältigen Anforderungen für sie haben.

Ein Beispiel aus der Praxis

Ein Unternehmen fragt bei einer Supervisorin für die Mitarbeiter sogenannte Entlastungsgespräche im Einzelsetting an. Im ersten Schritt werden durch die Supervisorin im Rahmen der Auftragsklärung Gespräche mit einigen Führungskräften innerhalb des Unternehmens geführt. Die in diesen Gesprächen von den Führungskräften geschilderten Probleme und Themen wiederholen sich dabei und lassen Muster erkennen. Dies wird zum Anlass genommen, den ursprünglichen Auftrag dahingehend zu modifizieren, dass anstelle der Arbeit im Einzelsetting eine Leitungs-Gruppensupervision etabliert wird.

Das Gruppensetting bietet den Teilnehmern den Mehrwert, sich mit ihrem Problem nicht allein zu sehen bzw. den Fehler nur bei sich selbst zu suchen. Vielmehr gibt der gemeinsame Austausch die Gelegenheit, einen ganzheitlichen Blick – auch auf die Organisation insgesamt – zu werfen und zusammen Handlungsstrategien zu entwickeln, die über das einzelne Team hinausgehen. Damit wird der positive Effekt der Arbeit nicht auf einen kleinen Teilbereich begrenzt, sondern kommt der gesamten Organisation zugute. Dieser Mehrwert, der nur durch das Gruppensetting und den damit verbundenen gemeinsamen Austausch zum Thema ermöglicht wird, rechtfertig den mit dem Gruppensetting verbundenen erhöhten Einsatz von Ressourcen – auch finanzieller Art – für die Arbeit in der Supervision.

Ein weiterer Mehrwert, der sich auf diesem Weg ergibt, ist die gesteigerte Motivation der Führungskräfte, Supervision künftig auch als Beratungsformat für die eigenen Teams auf der nachgeordneten Mitarbeiterebene anzubieten und die Anwendung von Supervision zu einem Teil der Unternehmenskultur zu entwickeln.

Rahmen und Setting der Führungskräfte-Gruppensupervision

Um diese Ziele zu erreichen, muss zunächst ein Vertrauensaufbau zwischen der Supervisorin und den Führungskräften ebenso wie zwischen den Führungskräften untereinander erfolgen. Um den Prozess effizient zu gestalten, wird die Gruppe der Führungskräfte auf sechs Personen begrenzt, Termine werden für zwei Jahre geplant. Die Treffen finden in einem Rhythmus von sechs Wochen mit jeweils zwei Stunden statt. Es handelt sich um einen dynamischen Prozess. Ergeben sich aus der laufenden Kommunikation zu bearbeitende Themen, werden diese aufgegriffen und zum Gegenstand der Supervision. Das beinhaltet auch, dass nicht zu einem im Vorfeld fixierten Thema nach starren Regeln gearbeitet wird, sondern sich der Prozess an den jeweiligen Themen und Bedürfnissen der Führungskräfte orientiert.

Um sich für die Arbeit in diesem Setting öffnen zu können, haben die Teilnehmer zudem mit der Supervisorin und untereinander Vertraulichkeit vereinbart. Die Sitzungen haben Werkstattcharakter, das bedeutet, die Teilnehmer spiegeln untereinander die Arbeit, wie sie üblicherweise innerhalb der Teams erfolgt. Das bietet die Möglichkeit, die in der Supervision gesammelten Erfahrungen im Nachgang wieder auf die Arbeit in den Teams zu transferieren und diese dadurch zu optimieren.

Inhaltliche und methodische Ausrichtung

Die Supervisorin und die Führungskräfte bleiben jeweils in ihrer professionellen Rolle und kooperieren mit dem Ziel, die zu bearbeitenden Themen herauszufiltern und zu strukturieren. Dabei wird mit einem gruppenanalytischen und gruppendynamischen Ansatz gearbeitet. Im Fokus liegen Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene sowie Abwehrmechanismen und Triggerpunkte. Zudem spielen eigene Werthaltungen und Prägungen eine wichtige Rolle.

Ausgehend von der Betrachtung der einzelnen Personen werden dann die gruppendynamischen Entwicklungen beleuchtet, die sich daraus ergeben, dass die einzelnen Personen in der Gruppe aufeinandertreffen und in Interaktion treten. Dabei spielen Aspekte wie Machtverhältnisse, Augenhöhe, Nähe und Distanz, Ausgrenzung und Integration eine bedeutende Rolle in der Zusammenarbeit. Die Erkenntnisse aus der Reflexion der eigenen Person und des eigenen Verhaltens im Gruppenkontext ergeben dann ein wichtiges Handwerkszeug für die Führungskraft: Aus der Selbsterkenntnis kann ein besseres Verständnis für die einzelnen nachgeordneten Teammitglieder und das Verhalten in der Gruppe abgeleitet werden, das die Führungskraft dann im nächsten Schritt befähigt, geeignete Interventionsmaßnahmen zu ergreifen.

Fazit

Supervision stellt im Unternehmensalltag eine wichtige Ressource dar, die es zu nutzen gilt. Sie eröffnet Mitarbeitern, Führungskräften und auch Teams einen Raum, in dem es möglich ist, im Austausch mit anderen Konfliktsituationen zu analysieren und Handlungsstrategien zu deren Lösung zu entwickeln. Diese können im besten Fall sogar eine Signalwirkung für die gesamte Organisation entfalten.

Um das Thema zu vertiefen, werden künftig an diesem Ort Beiträge zur Supervision die Möglichkeiten und Chancen, die sich aus dem Format ergeben, weiter konkretisiert und anhand praktischer Fallbeispiele verdeutlicht. Was dieses zukunftsorientierte Beratungsformat also noch zu bieten hat, lesen Sie in der nächsten und weiteren Ausgaben der Mediation.

Literatur

Rabe, Christine Susanne / Wode, Martin (2020): Mediation. Methoden, Grundlagen, rechtlicher Rahmen. 2. Aufl. Berlin: Springer.

Rappe-Giesecke, Kornelia (2009): Supervision für Gruppen und Teams. 4., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer.

Der Beitrag ist erschienen in: Die Mediation – Ausgabe „Freiheit“ III-2025. Werfen Sie einen Blick ins Heft auf der Webseite des Fachmagazins für Konfliktlösung, Entscheidungsfindung und Kommunikation Die Mediation.

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 5 und 4.