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Humor in der Mediation: Wozu, wann und wie?
Wer als Mediator erfolgreich sein will, sollte nicht nur die Grundprinzipien der Mediation anwenden, sondern manchmal auch zu ungewöhnlichen Mitteln greifen. Humor kann einen großen Beitrag dazu leisten, festgefahrene Konflikte und Situationen aufzubrechen. Auf diese Weise werden Medianden befähigt, ihren Blick wieder auf das große Ganze zu lenken. Was gilt es beim Umgang mit Humor in der Mediation zu beachten und welche Techniken können hilfreich sein?
Text von: Peter Schütz
Eine gebildete, promovierte Managerin im Alter von 42 Jahren und ihr sportlich fitter, intelligenter 45-jahriger Mann, ein promovierter Maschinenbauer, sind finanziell gut gestellt und wollen nach 15 Jahren Ehe eine Scheidungsmediation in Anspruch nehmen. Gemeinsam haben sie eine neunjährige Tochter, einen siebenjährigen Sohn, eine große Stadtwohnung und ein schönes Landhaus.
Durchgeführt wird die Mediation von zwei erfahrenen Mediatoren, die seit vielen Jahren zusammenarbeiten – sie ist Anwältin, er Psychotherapeut. Die Vorgespräche sind geführt, die Mediationsvereinbarung ist unterschrieben. Beim Vorgespräch wird den Mediatoren unter anderem klar, dass beide Medianden eine deutliche Neigung zur Selbstdarstellung haben.
Angespannte Situationen durch Humor entschärfen
Am Ende der fünften Sitzung – hinsichtlich Kinderbesuchsrechten, Wohnrechten, Eigentum, Hund und Katze ist fast alles gelost – stockt plötzlich das Gespräch. Es hakt an der Aufteilung der Guppys und anderer Nanofische im Aquarium. Die Medianden ignorieren wechselseitige, durchaus praktische Losungsideen und werden zunehmend trotzig und bockig.
Da fragt die Mediatorin schelmisch und stirnrunzelnd ihren Partner: „Du meinst, das wäre wirklich eine Chance?“ Darauf er, verschmitzt lächelnd: „Ja, konnte gut gehen. Vielleicht sollten wir sie fragen.“ Die Musterunterbrechung der Mediatoren bringt beide Medianden fast zeitgleich dazu, zu fragen: „Was wollen Sie von uns wissen?“ Der Mediator, freundlich: „Wir schreiben gerade ein Drehbuch für eine Komödie über absurde Konflikte.“ Die Mediatorin lächelnd: „Würden Sie uns dabei helfen?“
Der Zustandswechsel beider Medianden ist nonverbal sichtbar, erfolgt rasch und endet mit beiderseitigem Lachen und Kopfschütteln. Den Medianden wird die Absurdität ihrer Situation klar. Die schon und präzise auf Flipchart gezeichneten Themen erhalten eine andere Perspektive. Nach zwei weiteren Sitzungen ist die Mediation mit sehr produktivem Ergebnis abgeschlossen.
Das Wesen der Mediation um humoristische Züge erweitern
Es hatte auch ganz anders kommen können. Hätte man die „Show-Business“- Vorliebe der Medianden nicht genutzt und stattdessen hochkorrekte Mediationsphasen-Konsequenz an den Tag gelegt, wären die Medianden sehr wahrscheinlich in ihren Fantasien über Kränkung und Vernachlässigung stecken geblieben. Es wäre vermutlich wenig Gutes passiert.
Mediation ist – im Regelfall – die friedlich-konstruktive und inhaltlich distanzierte Unterstützung von zwei oder mehreren miteinander in Konflikt stehenden Personen bzw. Parteien. Bei Konflikten sind die Streitparteien oft so emotional und / oder in der Sache verhärtet, dass eine Losung schwierig bis unmöglich erscheint.
Gepaart mit dem klassischen Verhandlungswerkzeug (Fragen, Phasen und Stufen der Mediation) ist freundlicher und respektvoller Humor die innere Basis für erfolgreiche Mediation. Grundvoraussetzung beim Mediator ist zunächst eine gute Vorstellung davon, welches Humorverständnis man selbst hat und wie ernst (aber nicht überernst) man andere nimmt. Ebenso wichtig ist die Erfahrung um die positive Wirkung von Humor und Respekt im täglichen Umgang.
Was sind die Grundelemente des Humors in der Mediation?
- Die richtige Haltung, also viel Respekt für die Menschen und eine positive Grundeinstellung ihnen gegenüber.
- Die Fähigkeit, durch nonverbale und verbale Äußerungen, Fragen und gutes (Voraus-)Denken Einfluss zu nehmen.
Ziel dieser Techniken kann sein:
- das Vertrauen der Konfliktparteien zum Mediator zu stärken,
- Distanz zu sehr nahen Themen zu schaffen,
- beiden Parteien ein Schmunzeln über die ganze Angelegenheit erfolgreich anzubieten und damit die Stimmung für wechselseitiges emotionales Zuhören aufzulockern.
Humor und seine Tücken
Doch Humor in der Mediation kann auch problematisch sein. So sind Witze mitunter nur für eine Seite lustig. Das Vertrauen zum Mediator wird dadurch rasch gestört. Der emotional labilere und / oder ängstlichere Mediand fühlt sich dann schnell hintergangen und blockiert – subjektiv gesehen zu Recht.
Wichtig ist auch zu überlegen: Was konnte die Parteien daran hindern, auf eine andere (humorvolle) Perspektive einzugehen? Wann ist Humor ein No-Go? Die innere Lage beider Parteien zu erfassen ist Grundvoraussetzung für ausbalancierte Humorinterventionen.
Fragen und Techniken im Zusammenhang mit Humor
Um Humor sinnvoll als Baustein von Mediationen zu etablieren, sind Sensibilität und Reflexionsvermögen aufseiten des Mediators das A und O. Innere Fragen für Mediatoren können sein:
- Was ist jeweils beiden Medianden wichtig (Worte, Themen, Erinnerungen)?
- Was konnte die Parteien zum Schmunzeln, was zur Distanzierung bringen?
- Was konnte beide dazu bewegen, die Angelegenheit in einem größeren (zeitlichen, geografischen, faktischen, familiären) Zusammenhang zu sehen und dadurch auch die eigene Befindlichkeit sowohl zu verstehen als auch zu verbessern?
Die Fragen können auch um die zentralen inneren Themen des Konflikts gruppiert werden: Was haben Sie hier erlebt? Was wünschen Sie sich beide für die Zukunft (Macht / Hilflosigkeit, Sachleistungen / Beziehungen, Gesundheit / Krankheit etc.)?
Öfter als geglaubt, sind auch gute Metaphern sehr wirksam, insbesondere wenn beide Parteien sich davon angesprochen fühlen. Hilfreich sind hierbei:
- ein gutes Repertoire an Marchen und hilfreichen Settings aus der Natur (z. B. Geschichten voller magischer Verwandlungen, Perspektivenwechsel und Metaphern),
- die Fähigkeit, diese an die Situation anzupassen und verbal wie auch nonverbal zu vermitteln.
Neben Distanz zur Sache kann oft ein respekt- und gleichzeitig humorvoller sowie systemischer Blick auf die Beziehung die Konfliktparteien auflockern. Fragen Sie doch einmal beide Parteien: „Wie konnte man es schlimmer machen?“
Manchmal hilft auch Lesen. Der Klassiker: Sigmund Freuds Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten (1905). Zahlreiche Witze und Metaphern finden sich in Märchenbüchern, zum Beispiel von den Brüdern Grimm und Hans Christian Andersen, in der Bibel, in den Büchern der Sufisten sowie – etwas moderner – in Gerhard Schwarz’ Führen mit Humor (2007). Vielleicht ist es auch wichtig, dass Mediatoren sich selbst nicht immer so ernst nehmen. Viel Freude und Erfolg bei der Anwendung von Humor in der Praxis und im eigenen Leben!
Der Beitrag "Humor in der Mediation" erschien in Die Mediation Ausgabe Q3 - 2020 "Humor wirkt".
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