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Co-Creation oder Silo-Denken? Kunden und Dienstleister als kreativer Thinktank – Annett Schaper für "Die Mediation"

Eine zukunftsträchtige Partnerschaft basiert auf Vertrauen, Offenheit und Transparenz. Die Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister sollte sich dadurch auszeichnen, dass beide Parteien sich als Verbündete und nicht als Gegner sehen. Sie müssen auf gleicher Augenhöhe agieren und ein klares Verständnis

für die Ziele, Werte und Herausforderungen der anderen Seite entwickeln. Doch wie erschafft man eine Partnerschaft mit derart großem Potenzial?

Aufbau einer zukunftsträchtigen Partnerschaft

Die frühzeitige Einbindung des Kunden in den Schaffensprozess, regelmäßige Updates und Einblicke in die Entwicklung der Lösungen ermöglichen es ihm, sich aktiv einzubringen und Feedback zu geben. Nur so ist sichergestellt, dass die finale Lösung den Kundenerwartungen entspricht. Ebenso stellt der Kunde dem Dienstleister alle notwendigen Informationen und Ressourcen für einen reibungslosen und effektiven Arbeitsprozess zur Verfügung.

Regelmäßige Kommunikation durch Co-Creation-Workshops, Sprint-Meetings oder andere Formate fördern das gegenseitige Verständnis und die gemeinsame Lösungsfindung. Eine beiderseitig offene Haltung bei Ideen und Vorschlägen des Partners schafft eine dynamische Atmosphäre, die Agilität, Kreativität und Innovation stimuliert.

Beide Parteien sollten so flexibel sein, voneinander lernen zu wollen und die andere Perspektive zu verstehen und zu schätzen. Methoden wie gemeinsames Brainstorming und Co-Creation sind effektive Wege, um die Stärken beider Seiten zu nutzen und die besten Ergebnisse zu erzielen. Gelingt dies, führt die Kombination zweier Perspektiven zu innovativen Lösungen.

Der Aufbau einer solchen Partnerschaft ist jedoch keine singuläre Handlung, sondern ein Prozess, der Engagement und Zeit erfordert, um die Zusammenarbeit kontinuierlich zu verbessern und zu vertiefen. Die investierte Zeit und Energie wandeln sich zu einem starken Fundament, auf dem beide engagiert zur erfolgreichen Zusammenarbeit beitragen.

Eine derartige Partnerschaft findet sich nicht nur bei Kreativagenturen, sondern bei allen Arten von Dienstleistern – von technologischen Innovatoren über Unternehmensberatungen bis hin zu Bildungsanbietern und darüber hinaus. Jeder, der mit seinen Kunden nach kreativen, innovativen und disruptiven Lösungen strebt, kann von diesem Modell profitieren. Die Anwendung dieser Prinzipien kann branchenübergreifend zu einer neuen Welle von Kooperationen führen, die traditionelle Geschäftsmodelle herausfordern und neu definieren.

Last, not least kommt es auf eine gemeinsame Kultur der gegenseitigen Anerkennung an. Wenn die Beiträge der Einzelnen gewürdigt werden, fühlen sich die Teammitglieder wertgeschätzt, bringen sich motivierter ein und übernehmen gern Verantwortung. Es entsteht ein Gefühl der Zugehörigkeit, welches das gegenseitige Engagement stimuliert. Dabei bedeutet Transparenz nicht nur die Offenlegung von Informationen, sondern auch die Bereitschaft, Unsicherheiten und Herausforderungen offen zu diskutieren. Dies braucht Mut und das Vertrauen, dass die andere Partei konstruktiv und unterstützend reagieren wird.

Farming statt Jagd

In Märkten mit hartem Wettbewerb und ständiger Veränderung ist es zwar verlockend, aber nicht nachhaltig, jedem potenziellen Kunden nachzujagen. Wie eine Jagd sieht es dann buchstäblich oft auch aus: Unternehmen „lauern“ und „zielen“, um die Kunden mit viel Aufwand und aggressivem Marketing zu „erlegen“. Oft werden große Summen in Neukundenwerbung mit hohen Streuverlusten investiert. Durch die wenig zielgerichtete Ansprache sind die Kosten für jeden neuen Kunden hoch und seine Bindung ans Unternehmen gering. Rabattaktionen und aggressive Abwerbung führen zu einem Preiskampf, der langfristig den Profit schmälert. Bestandskunden werden häufig vernachlässigt, was Unzufriedenheit und Abwanderung zur Folge hat. Zudem bieten oberflächliche Kundenprofile keine ausreichende Grundlage für maßgeschneiderte Angebote, und die Planungssicherheit leidet unter schwankenden Umsätzen.

Statt in der Jagd liegt das wahre Geheimnis erfolgreicher Unternehmen im Prinzip des „Farmings“ der Kunden, das eher mit der sorgfältigen Pflege und Ernte in der Landwirtschaft vergleichbar ist. Kunden werden nicht nur zufriedengestellt, sondern durch Begeisterung zu loyalen Fürsprechern und aktiven Empfehlern des Unternehmens gemacht. Sie werden durch ihre Mundpropaganda zu einem Teil des Marketings. Und das nicht durch finanziellen Aufwand, sondern durch exzellente Produkte und Dienstleistungen, durch echte Wertschätzung und durch kontinuierliche Pflege der Kundenbeziehung. Hinzu kommt, dass der Akquisitionsaufwand bei Bestandskunden wesentlich geringer ist als bei neuen. Sie kennen das Unternehmen und dessen Produkte oder Dienstleistungen bereits, müssen nicht erst von deren Qualität überzeugt werden und kaufen in der Regel auch mehr, was den Umsatz ankurbelt.

In der Praxis beginnt das Farming damit, Kunden durch herausragende Leistung zu begeistern. Die Servicequalität und Kundenorientierung werden kontinuierlich auf hohem Niveau gehalten. Durch das Einholen von regelmäßigem Feedback und die Reaktion darauf fühlen sich Kunden wertgeschätzt und ernst genommen. Jeder Kunde ist einzigartig mit individuellen Präferenzen, die es zu kennen und zu bedienen gilt. Anreize für Folgegeschäfte können durch Bonusprogramme oder exklusive Vorteile geschaffen werden. Durch Kundenclubs und Communitys fühlen sich Kunden zugehörig und emotional verbunden. Storytelling trägt dazu bei, dass sie sich mit der Marke und ihren Werten identifizieren. Gezielte Angebote und sogenannte Save-Programme helfen dabei, Kunden auch in schwierigen Zeiten zu halten. Plattformen und Ökosysteme binden Auftraggeber mithilfe eines attraktiven Umfelds, das Mehrwert auch jenseits des eigentlichen Portfolios bietet.

Das Framen der Kunden erfordert eine langfristige Perspektive. Es gilt, Vertrauen aufzubauen und emotionale Bindungen zu schaffen, die über reine Transaktionen hinausgehen. Das Fundament hierfür ist immer eine gute Leistung. Teure Werbegeschenke oder aggressive Rabattaktionen nützen wenig, wenn das Produkt oder die Dienstleistung nicht überzeugt. Die Zufriedenheit des Kunden muss in jedem Schritt der Wertschöpfungskette das oberste Ziel sein.

Erfolgreiche Beispiele dafür sind vielfältig, so bindet etwa Amazon Prime seine Kunden durch exklusiven Service und zusätzliche Angebote. Apple gelingt es, durch ein geschlossenes System und ein starkes Markenimage eine starke Bindung zu erzeugen. Harley Davidson hat wiederum einen starken Markenmythos aufgebaut, der die Kunden verbindet. Die DM-Drogeriemärkte veranstalten für Stammkunden einen jährlichen „‚Alles, was zählt‘-Tag“. IKEA Family und Miles & More sorgen durch Vorteilsprogramme und Statusangebote für eine erhöhte Kundenbindung, und PayPal profitiert vom Netzwerkeffekt durch die Integration in viele Shops.

Doch auch das Farming der Kunden ist nicht frei von Risiken. Vertraute Kunden können Ansprüche überstrapazieren und bei Preiserhöhungen sensibler reagieren.

Beziehungspflege bedeutet, dass man seine Kunden versteht und auf ihre Bedürfnisse eingeht. Ihre Historie, ihre bisherigen Interaktionen und Transaktionen mit dem Unternehmen fließen in jede Kommunikation und Angebotserstellung ein. Dies ermöglicht eine persönlichere und gezieltere Ansprache, die die Kundenbindung verstärkt.

Eine Checkliste zur besseren Einschätzung des Kunden kann beispielsweise folgende Punkte enthalten:

  • ƒVerstehen der Kundenbedürfnisse: Was genau benötigt der Kunde und warum?
  • ƒKenntnis der Kundenhistorie: Welche Produkte oder Dienstleistungen wurden bereits in Anspruch genommen?
  • ƒAnalyse des Kaufverhaltens: Wie oft und in welchen Abständen tätigt der Kunde Käufe?
  • Feedback-Auswertung: Wie wurde in der Vergangenheit auf Angebote und Service reagiert?
  • ƒPersonalisierung: Inwieweit können Angebote und Kommunikation individuell zugeschnitten werden?
  • ƒWertschätzung zeigen: Wie kann der Kunde Anerkennung für seine Treue erfahren?
  • ƒProaktive Kommunikation: Wie kann das Unternehmen mit dem Kunden über neue Produkte oder Dienstleistungen sprechen, bevor dieser aktiv wird?
  • ƒLösungsorientierung: Wie schnell und effektiv kann man auf Probleme oder Beschwerden reagieren?

Fazit: Die richtige Balance zwischen Farming und gezielter Neukundengewinnung ist entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens.

Beziehungspflege und Verständnis füreinander

Eine langjährige Kundenbeziehung zeichnet sich durch ein über die Jahre wachsendes gegenseitiges Verständnis aus. Der Dienstleister bringt seine früheren Erfahrungen ein und regt an, Bewährtes weiterzuentwickeln. Der Kunde lässt ihn an veränderten Zielen und neuen Herausforderungen teilhaben. Dabei entsteht eine Art „institutionalisiertes Gedächtnis“, das dem Kunden Kontinuität bietet, auch wenn auf seiner Seite die Ansprechpartner wechseln. Der Dienstleister erinnert sich noch an die Entstehung früherer Markenbotschaft en und kann erklären, warum bestimmte Weichen gestellt wurden.

So werden Fehler vermieden, die früher vielleicht gemacht wurden. In einer gesunden Arbeitsbeziehung sind Rollen und Zuständigkeiten geklärt. Klarheit in den Verantwortlichkeiten hilft, falsche Erwartungen zu vermeiden. Der Dienstleister ist beratend tätig, aber nicht weisungsgebunden. Seine Aufgabe ist es, fachliche Impulse zu geben und produktive Vorschläge zu unterbreiten, aber die unternehmerische Entscheidung liegt beim Kunden. Gleichzeitig sollte der Dienstleister auch den Mut haben, dem Kunden Grenzen aufzuzeigen und vor übereilten oder einseitigen Entscheidungen zu warnen.

Eine sorgfältige Einschätzung des Kunden zu Beginn der Zusammenarbeit minimiert das Risiko späterer Enttäuschungen. Dazu gehört, sich über folgende Fragen Klarheit zu verschaffen:

  • ƒWie innovationsfreudig ist das Unternehmen? Geht eseher evolutionär vor oder macht es auch radikale Sprünge?
  • ƒWelche Entscheidungsprozesse für neue Projekte gibt es? Wie viele Hierarchieebenen sind einzubeziehen?
  • ƒWer hat in der Praxis das Sagen – das Marketing oder andere Bereiche wie der Vertrieb?
  • ƒWie groß ist der Handlungsspielraum des persönlichen Ansprechpartners auf Kundenseite?
  • Welche Vorgeschichte gibt es in der Zusammenarbeit mit Dienstleistern? Gab es Konflikte und wenn ja, worum ging es dabei?
  • ƒWie ist aktuell die wirtschaftliche Situation des Unternehmens? Geht es eher ums Sparen oder um Wachstum?
  • ƒ Sind strategische Weichenstellungen absehbar, beispielsweise eine Übernahme oder Neuausrichtung?

Fazit: Je klarer der Dienstleister die Eigenarten des Kunden kennt, desto reibungsloser kann die Partnerschaft funktionieren. Umgekehrt sollte der Kunde Off enheit zeigen, damit der Dienstleister ihn besser verstehen und seine Arbeit optimal darauf abstimmen kann.

Resümee

Beide Seiten sollten einander nicht als lästiges Übel betrachten, sondern als wertvollen Partner, und gemeinsam ihre Ziele verfolgen. So entsteht eine vertrauensvolle Beziehung, in die der Dienstleister seine Kompetenz und Kreativität einbringt, während der Kunde sein Fachwissen über Produkte, Zielgruppen und Marktsituation beisteuert. Regelmäßiger persönlicher Austausch, gegenseitige Wertschätzung und Offenheit bei Problemen sind die Basis einer guten Kundenbeziehung. Es ist wie in einer Liebesbeziehung – sie erfordert Hege und Pflege. Und der Einsatz lohnt sich. Das gegenseitige Vertrauen schafft eine Atmosphäre der Kooperation und den Raum, in die Zukunft zu denken. Davon können beide Seiten gleichermaßen profitieren und ihre Marktpositionen ausbauen, womit sie das Fundament für den Erfolg von morgen schaffen.

 

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